Motorschirm EM 2002 in Ungarn

Ein Bericht von Thomas Keller:
MotorschirmEM-Titel für Gunar Barthel in der Trike-Klasse, Thomas Keller zum viertem Mal in Serie unter den Top Ten
Während in weiten Teilen Ostdeutschlands, Tschechiens und Österreich die Menschen mit heftigem Regen und den daraus resultierenden Wassermassen zu kämpfen hatten, flogen in Ungarn die besten Motorschirmpiloten des Kontinents in der Zeit vom 11.08. bis 17.08. um die EM-Titel.
Pro Nation durften 6 Piloten an den Start gehen. Für Deutschland nahmen Gunar Barthel in der neu eingerichteten Motorschirm-Trike Klasse (PL1) und Thomas Keller in der Motorschirm Klasse (PPG) teil. Regen behinderte die Piloten in Ungarn lediglich am ersten Wertungstag. Danach führte ein für diese Sportart heftiger - in Böen zum Teil über 40 km/h starker Wind - zu sehr anspruchsvollen, zum Teil sogar gefährlichen Flugverhältnissen.
Leider wurde die Meisterschaft in Ungarn mal wieder fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt. Hinsichtlich der Vermarktung lernen die Veranstalter scheinbar nichts oder nur wenig dazu. Wie man sich selber bzw. neue Produkte vermarktet, zeigte Helmut Stern aus Österreich. In der ebenfalls neuen Klasse der Doppelsitzigen Motorschirm-Trikes (PL2) organisierte er die Teilnahme von vier Teams aus vier Ländern, die alle samt mit einem Sunflight Aircraft antraten. Für eine offizielle Wertung war dies nach FAI-Reglements ausreichend.
Die Piloten der doppelsitzigen "Rotax 582-Bomber" wurden jeweils von hübschen jungen Damen, größtenteils mit langen blonden Haaren, begleitet. Durch Gespräche wurde deutlich, dass die Damen vom Fliegen scheinbar soviel Ahnung haben, wie ich von chemischen Formeln. Gefilmt und fotografiert wurden die vier Teams nahe zu auf Schritt und Tritt. Während der Task-Pausen wurden die Fluggeräte natürlich auch entsprechend präsentiert.
Sieger dieser Klasse wurde Helmut Stern mit Flugpartnerin Olivia Zechner. Seine FlugschülerInnen aus der Ukraine, Dänemark und Ungarn landeten auf den nachfolgen Plätzen. Es ist zu hoffen, dass der Erfolg in Österreich zu einer Verbesserung der dortigen UL-Verhältnisse führt. Die Bewertung des sportlichen Wertes durch die Vergabe eines EM-Titels bei einem so kleinen (selbst organisierten) Teilnehmerfeld, überlasse jedem einzelnen.
Bei den einsitzigen Motorschirmtrikes traten 8 Piloten aus 5 Länder an. Der neunte Pilot war scheinbar nur Dekoration, um auf jeden Fall 4 Nationen an den Start zu bekommen. Jeder Anfang ist halt schwer. In dieser neuen Motorschirmklasse siegte Gunar Barthel vor Frank Radim und Jiri Koudela - zwei ehemaligen PPG-Piloten - aus der Tschechischen Republik. Es war schon erstaunlich, was in dieser Klasse für "selbstgebastelte" Geräte mit u. a. ausgerüstet mit Trabbi-Motoren geflogen wurde. Mit dem Flyke, mit dem Gunar zum Wettbewerb antrat, erreget er großes Interesse. Fotografiert wurde es in den ersten Tagen fast permanent. Zum Teil mußte Gunar das Gefährt durch seinen Hund Bruno bewachen lassen. Ich bin mal gespannt, ob es im nächsten Jahr einen Billignachbau aus Ungarn zu erwerben gibt.
Bei seinem Sieg profitierte Gunar allerdings von einem Complaint, der in Absprache mit einigen Teamleadern, am vorletzten Tag eingereicht wurde. Drei tschechische Piloten, so auch die beiden vor ihm liegenden, hatten beim "Speed Triangle out and return" lediglich den zweiten Teil der Aufgabe erfüllt und bewertet bekommen. Nach Ansicht vieler Teamleader war es für eine Wertung aber notwendig, zuvor das "Speedtriangle" zufliegen, um anschließend mit dem verbleibenden Sprit den zweiten Teil der Aufgabe zu absolvieren. Dem Complaint wurde stattgegeben. Ein Protest der tschechischen Piloten am Abschlußtag blieb erfolglos. Und so befand sich Gunar am Sonntag Mittag statt auf Rang 3, auf einmal auf der höchsten Stufe des Treppchens. Verdient hat er es aber alle mal.
Erwähnen möchte ich dieser Stelle, dass der Wettbewerb nicht unfair ablief. Den gemeinsamen "Spirit" aus dem vergangenem Jahr suchte man in diesmal aber vergeblich. Ich führe dies auf die recht einfachen Verhältnissen vor Ort zurück. Entertainment und Zuschauer suchte man fast vergebens. Auch die Eröffnungs- bzw. Abschlussfeier liefen recht primitiv ab. Nach zwei Wettbewerbsteilnahmen in Ungarn (in 1998 und 1999) hatte ich aber auch nicht mehr erwartet.
In der "Königsklasse" gab es einen neuen Teilnehmerrekord für eine EM. 49 Motorschirmpiloten aus 15 Ländern traten hier zum Wettfliegen an. Am Ende siegte Pavel Stephan aus Tschechien vor den beiden jungen französischen Nachwuchspiloten Ronan Chollou und Sylvain Moisseron. Inder Mannschaftswertung siegten die diesmal in der Einzelwertung nicht ganz so erfolgreichen Spanier, vor den wiedererstarkten Franzosen und dem Tschechischen Team. Trotz des Ausfall meines Motors bei einer Aufgabe konnte ich am Ende Platz 9 erzielen. Mit einer geglückten Ziellandung und ohne den Motorausfall (zum Glück nur eine 250 Punkte Aufgabe) wäre sogar Edelmetall drin gewesen. Aber ich will nicht jammern.
Mit dem neunten Platz habe ich meine persönliche Zielsetzung - einer Platzierung unter den ersten zehn - erfüllen können. Durch diese Platzierung gelang es mir als erstem Motorschirmpiloten mich zum vierten M in Serie bei einem großen FAI Wettbewerb unter den besten zehn Luftsportler zu platzieren. Ein wenig Stolz bin ich da schon drauf. Diese Tatsache verdeutlicht aber auch, wie dicht die "Spitze" in der PPG-Klasse zusammengerückt ist. In dieser Klasse dominierten mehr den je die PAP-Motoren in ihrer Anzahl sowie aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit (ca. 2 Liter/Stunde). Wären nicht zwei Aufgaben mit limitiertem Sprit wegen des starken Windes mehr oder weniger zu Speedaufgaben geworden (die noch verbleibende Zeit in der wir fliegen konnten, reichte Spritmäßig für alle Motoren) hätte ich mit meinem Solo-Motor aber kaum eine Chance gehabt die Platzierung zu erreichen.
Überschattet wurde der vorletzte Task durch den Absturz des amtierenden Weltmeisters Ramon Morillas aus Spanien. Zum Glück verletzte er sich bei seinem Absturz nur leicht. Glück auch am letzten Wertungstag. Ein heftiges Gewitter, mit allem was dazu gehört, baute sich innerhalb weniger Minuten in Platznähe auf. Thermikfliegen mit limitierter Spritmenge war angesagt. Geflogen werden durfte nur in Sichtweite des Platzes. Im Kampf um jede Sekunde reizten die Piloten die Situation völlig aus. Aber auch hier: Keine Vorwarnung durch die Wettbewerbsleitung und kein Abbruch durch die Auslage eines vereinbarten Abbruchzeichens. Für eine Wertung wäre die Aufgabe nicht mehr notwendig gewesen! Aber so ist das halt, wenn sich der Wettbewerbsleiter nicht am Ort des Geschehens befindet und sich irgendwo in den Büros rumdrückt. Ein Abbruch wäre ein Leichtes gewesen.
Es wurde einmal mehr deutlich, dass die Wettbewerbsleitung einer internationalen Motorschirm-Meisterschaft von einem erfahrenen Motorschirmpiloten übernommen werden muß, der die Wetterbedingungen unter denen noch relativ gefahrloses Motorschirmfliegen möglich ist, einzuschätzen weiß. Das man sich bei Wettbewerben dem fliegerisch Machbaren nähert, steht hierbei natürlich außer Frage. Wettbewerbsleiter Marton Ordody war in seinen Entscheidungen sehr heterogen. Zum Ende des Wettbewerbes, vermutlich mit der Angst im Nacken evtl. keine Wertung zusammen zu bekommen, brachte er nicht den Mut auf - trotz Bedenken einiger Teamleader - Aufgaben abzubrechen bzw. erst gar nicht anzusetzen. In den ersten Tagen wurden Aufgaben bei wesentlich weniger gefährlichen Bedingungen abgebrochen.
Ein "Lemmingeffekt" machte deutlich, das die Piloten, eine Pilotenvertretung benötigen, die sie vor sich selber schützt. Dies ist beim Gleitschirmfliegen längst der Fall. Aber scheinbar müssen Fehler immer wieder begangen werden, um daraus zu lernen. Es ist zu wünschen, dass bei der nächsten CIMA-Sitzung eine Reaktion auf die Verhältnisse in Ungarn erfolgt. Zu erwähnen ist aber auch, das einige anspruchsvolle und relativ gut organisierte Navigationsaufgaben geflogen wurden.
Kaum ist die EM vorüber, wirft die nächste Weltmeisterschaft bereits ihre Schatten voraus. Die Veranstaltung soll im nächsten Jahr von Mitte Juli bis Anfang August in der Nähe von Stratford upon Avon ausgetragen werden. Der englische Verband hat bereits ein umfangreiches Organisations- und Wettbewerbsteam benannt. Wettbewerbsleiter für die drei Motorschirmklassen wird wieder einmal der Motorschirm erfahrene Richard Meredith-Hardy sein. Richard nahm im übrigen in Ungarn teil und wurde 17. Es ist vorgesehen, dass wieder alle UL-Klassen gemeinsam zum Wettkampf antreten. Außerdem sollen erstmals Flightrecorder zum Einsatz kommen. Dies wird den Veranstaltern sicherlich viele Complaints und Proteste ersparen.
Zu befürchten ist nur, dass die zu erwartende große PPG-Teilnehmerzahl eine große organisatorische Herausforderung darstellen wird. Aber vielleicht denkt man seitens der CIMA über die Reduzierung der Pilotenanzahl pro Nation nach. In Sachen Organisation traue ich den Engländer auf jeden Fall sehr viel zu. Ich hoffe, dass sich die Erfolge der Motorschirmpiloten aus der Vergangenheit sowie die neuerlichen guten Platzierungen künftig positiv auf die Unterstützung der Piloten auswirkt.
Abschließend noch ein Tipp: Verbindet doch im nächsten Jahr den Sommerurlaub mit einem Wettbewerbsbesuch in Stratford. England ist ein interessantes Reiseland und mit fußstartfähigen UL´s darf mit Zustimmung des Grundbesitzers so ziemlich überall gestartet und gelandet werden.
Happy landings Thomas Keller