Motorschirm-Wettbewerbe (Wettbewerbsfliegen)

Motorschirm-Wettbewerbe (von Thomas Keller)


Das fliegen mit Motorschirmen findet weltweit immer mehr Zuspruch. Die Ausbildungszahlen und die Gerätezulassungen steigen in vielen Ländern überproportional an. In Deutschland hat sich die Anzahl der Ausbildungen in den vergangenen zwei Jahren sogar verdoppelt. Wettbewerbe mit Motorschirmen haben sich mittlerweile national und international fest etabliert. Zwar wird zunehmend über Wettbewerbe berichtet, doch welche Anforderungen an die Piloten und die Ausrüstung gestellt werden bzw. welche Aufgaben fliegerisch zu bewältigen sind, ist relativ wenigen Piloten bekannt. Thomas Keller beleuchtet daher diese Thematik. Ferner gibt er Auskunft darüber, wie sich Piloten für nationale oder internationale Meisterschaften qualifizieren können und welchen Nutzen Piloten aus der Teilnahme an Wettbewerben ziehen können.
Der Nutzen von Wettbewerben
Zum Thema Wettbewerb hört man aus Pilotenkreisen häufig folgende Äußerungen:
· Mir reicht es völlig aus, wenn ich mich mit meinem Motorschirm den Herausforderungen der dritten Dimension aussetze.
· Ich bin doch nicht verrückt da mitzumachen, da passiert doch zu viel!
· Wozu sind Wettbewerbe überhaupt dienlich?
Für die Durchführung von Wettbewerben und für eine Teilnahme sprechen aus der Erfahrung heraus folgende Beweggründe:
· Neben der Ermittlung eines Siegers wird der Erfahrungsaustausch zwischen den Piloten wesentlich gefördert. Die Informationen die innerhalb weniger Tage gewonnen werden können, sind vielen Piloten oftmals nur schwer zugänglich oder nur über einen sehr langen Zeitraum zu erhalten. Dazu zählen u.a. Informationen über neue Gleitschirme, Motoren, Ausrüstungsteile oder Reparaturen. Erkenntnisse über Start- und Landetechniken sowie das verbesserte Navigieren und das Einschätzen von noch "fliegbaren" Wetterbedingungen kommen ebenfalls hinzu.
· Darüber hinaus erhöhen Wettbewerbe die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, was letztendlich auch Einfluss auf die Lobby unseres Sports hat. Und eine erhöhte Lobby kommt schließlich allen Motorschirmpiloten zu Gute.
· Wie bei kaum einer anderen Flugsportart sind die Aufgabenstellungen sehr facettenreich, einzelne Aufgaben werden schnell zum Denksport.
· Sicherlich sind die Anforderungen bei Wettbewerben in den letzten Jahren gestiegen. Aber bisher ist bei einer Deutschen Motorschirm-Meisterschaft noch kein ernsthafter Unfall passiert. Der eine oder andere Propeller ist zwar schon auf der Strecke geblieben. Doch einen beschädigten Propp kann man sich auch schnell bei einem missglückten Start in heimischen Gefilden einhandeln. International sind die Anforderungen i.d.R. etwas höher, dennoch sind nur sehr wenige Verletzungen zu verzeichnen.
· Der Begriff verrückt passt für Wettbewerbe eigentlich sehr gut. Denn durch die regelmäßige Teilnahme an Wettbewerben hat sich die Grenze dessen, was ich früher für nicht mehr "fliegbar" hielt, wesentlich verschoben. Oder besser ausgedrückt, die Grenze wurde v e r r ü c k t. Heute fliege ich noch bei Wetterlagen sicher, bei denen vor fünf oder sechs Jahren noch glaubte, aus Sicherheitsgründen besser am Boden zu bleiben.
· Für einige Piloten kommen noch weitere Aspekte hinzu: Sie suchen nach neuen Herausforderungen unter Gleichgesinnten, möchten neue Gegenden oder Länder bereisen und aus der Luft erkunden.
· Last but not least ist auch der Spaßfaktor ist nicht zu verachten.
Die aufgeführten Gründe sollten für Piloten mit mehr als 50 Flugstunden eigentlich ausreichende Bewerbgründe liefern, sich mit der Thematik "Wettbewerbe" einmal auseinander zusetzen. Die Beweggründe gelten im großen und ganzen natürlich auch für die Classic Classes (Trikes und Dreiachser).
Wie alles begann
Während 1993 in Deutschland noch das Erprobungsprogramm für Motorschirme lief, fand in der Tschechischen Republik bereits die erste Europameisterschaft unter dem Dach der FAI (Fédération Aéronautique Internationale) statt. Im jährlichen Wechsel werden seitdem Welt- und Europameisterschaften ausgetragen. Die Weltmeisterschaft 1994 in Polen konnte noch nicht offiziell gewertet werden, weil weniger als 5 Nationen angetreten waren. Seit der WM 1996 in Südafrika steigt die Teilnehmerzahl und die Anzahl der Nationen aber stetig an. Während bei der WM in Ungarn 1999 z. B. noch 35 Piloten aus 10 Nationen an den Start gingen, waren 2001 in Spanien bereits 55 Piloten aus 15 Ländern vertreten. Bedingt durch die starke Zunahme, ist künftig aber mit einer Herabsetzung der Teilnehmerzahl pro Nation zu rechnen. Nur so kann gewährleistet werden, dass Wettbewerbe unter annähernd gleichen Bedingungen für die Teilnehmer durchgeführt werden können.
Auf Deutscher Ebene dauerte das Ganze etwas länger. 1994 wurde das Motorschirm fliegen offiziell zugelassen. Längst überfällig wurde 1998 die erste Deutsche Meisterschaft ausgetragen. In diesem Jahr wurde für die Meisterschaft ein neues Konzept umgesetzt. Der Deutsche Motorschirm-Pokal, eine Mischung aus internationalem Wettbewerb, Messe, FlyIn und Flugplatzfest, wurde im Mai in Ballenstedt erfolgreich ausgetragen.


Welche Teilnahmebedingungen sind für den Deutschen Motorschirm-Pokal zu erfüllen?
Die Bedingungen wurden bewusst niedrig gehalten, um vielen Piloten die Teilnahme zu ermöglichen. Am Motorschirm-Pokal kann jeder Motorschirmpilot mit einer deutschen Staatsbürgerschaft teilnehmen, der über eine gültige Deutsche Motorschirm-Lizenz und über 50 Std. Flugerfahrung mit seinem Motorschirm verfügt. Darüber hinaus ist eine entsprechende Haftpflichtversicherung vorzuweisen. Ferner sollten eine sichere Start- und Landetechnik - auch bei Windgeschwindigkeiten von ca. 10 bis 12 Knoten - beherrscht werden sowie ausreichend Erfahrung in Navigation und Thermikflug vorliegen. Während der Meisterschaft ist ein nach deutschem Luftrecht zugelassener Motorschirm einzusetzen.


Wie kann man sich für internationale Meisterschaften qualifizieren?
Über den Deutschen Motorschirm-Pokal kann man sich für internationale Wettbewerbe qualifizieren. I.d.R. sind die Anforderungen an die Piloten dort etwas höher. Dieses gilt auch für die Nominierung zu einem internationalen Motorschirm-Wettbewerb wie Welt- und Europameisterschaft, World Air Games oder World CUP. Eine Grundvoraussetzung ist die Teilnahme an mindestens einer Deutschen Motorschirm-Meisterschaft. Sollte vor dem nächsten internationalen Event für die neu eingerichteten FAI-Klassen der Motorschirm-Trikes (ein- und doppelsitzig) noch keine nationale Meisterschaft durchgeführt worden sein, erfolgt eine Berücksichtigung auf Anfrage.
Für die Teilnahme an internationalen FAI-Wettbewerben wird eine FAI-Sportlizenz benötigt. Die Fluggeräte (Schirm und Rucksackmotor/Trike) haben nationalem Recht zu entsprechen. Dies bedeutet international leider, dass hier mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. In Deutschland gelten weltweit die strengsten Anforderungen. So dürfen z. B. bei einer genormten Steigflugmessung 60 dba nicht überschritten werden.


Abwechslungsreiche Aufgaben
Bei internationalen Wettbewerben werden die Aufgaben gleichmäßig zu je einem Drittel auf Präzision, Navigation und Wirtschaftlichkeit verteilt. Die Aufgabenschwerpunkte können aber auch miteinander kombiniert und mit weiteren Kriterien wie z. B. einer Zeitlimitierung erschwert werden. Die diversen Wettbewerbsregularien und -aufgaben werden im FAI Sporting Code (Section 10) veröffentlicht. Ergänzt wird der Sporting Code durch die General Section, in der wie der Name schon sagt, grundlegende Wettbewerbsregeln beschrieben sind. Beide Unterlagen können über die Hompage der FAI (www.fai.org, Sportart Microlight) in Englisch eingesehen bzw. herunter geladen werden. Briefings und Aufgabenstellungen werden grundsätzlich in Englisch durchgeführt bzw. beschrieben.
Zu den Navigationsaufgaben zählen u.a. reine Navigationsaufgaben, bei denen eine bestimmte Anzahl von Wendepunkten angeflogen und i.d.R. aus einem 90° Sektor fotografiert werden müssen. Das fotografieren dürfte nach der Einführung von GPS Flight-Recordern aber der Vergangenheit angehören. Auch ausgelegte Zeichen oder Markierungen sind ggf. zu notieren. Es kann vorkommen, dass den Piloten die Aufgabe erst kurz vor dem Start oder bei einer festgelegten Zwischenlandung ausgehändigt wird und die Zeit sowie der Sprit limitiert werden. Auch die Angabe der zufliegenden durchschnittlichen Geschwindigkeit, in Verbindung mit einem kreisförmigen Kurs kann zum Anforderungsprofil einer Navigationsaufgabe erschwerend hinzukommen. Eine beliebte Aufgabe ist die Kombination von Navigation und Wirtschaftlichkeit zum sogenannten „Speed Triangle and out and return“. Ein vorgegebener Kurs ist hierbei so schnell wie möglich abzufliegen. Mit der verbleibenden Spritmenge ist anschließend auf einem vorgegebenen Kurs eine möglichst große Distanz herauszufliegen. Der Pilot hat aber wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Eine Außenlandung führt beim „Out and Return“ Teil zu 0 Punkten.
Ziellandungen zählen zu den Präzisionsaufgaben. Die beste Bewertung erfolgt im 25 cm Kreis. Bei der Landung dürfen weder Propellerkäfig oder beide Hände oder beide Knie den Boden berühren. Das Abstützen auf dem Erdboden mit einer Hand und einem Knie ist wiederum zulässig. Zeitvorgaben bis zur Landung werden auch genutzt
(z. B. mind. 60 sek.). Weitere Präzisionsaufgaben sind das sehr beliebte „Kicking Sticks“ und das „Slow/Fast“. Beim „Kicking Sticks“ sind neun Kippstangen (siehe Skizze) möglichst schnell im Flug mit dem Fuß oder dem Fluggerät zu berühren. Die 9. Stange ist im Uhrzeigersinn zu umfliegen. Die Zeit beginnt zu laufen, wenn die 1. Stange berührt wird. Bei Berührung der 10. Stange wird die Zeit gestoppt. Der Erdboden darf nicht berührt werden und je Stange ist nur ein Anflug möglich. Ausnahme: Die 1. und 10. Stange dürfen je 3 mal angeflogen werden. Jede nicht getroffene Stange führt zu einem Punktverlust. Anfänger tun sich bei diesem Aufgabentyp bekanntlich etwas schwer. Doch mit etwas Übung wird diese für Zuschauer sehr attraktive Aufgabe schnell zum reinsten Vergnügen.


Beim "Slow/Fast" ist ein abgesteckter Kurs einmal so langsam wie möglich und einmal so schnell wie möglich zu durchfliegen. Dabei darf der Erdboden nicht berührt und nicht höher als höher als 2 m geflogen werden. Bei Präzisionsaufgaben wird häufig auch der Start zusätzlich bewertet. Ein Fehlstart führt zu erheblichen Punkteverlusten. Dieser liegt bereits vor, wenn das Gleitsegel, nachdem es einmal komplett den Erdboden während des Aufziehvorgangs verlassen hat, ein weiteres mal Kontakt mit dem Boden bekommt.
Zu den Wirtschaftlichkeitsaufgaben zählt nahezu bei jeder Meisterschaft das sogenannte „Endurance“. Hierbei versuchen die Piloten mit einer vorgegebenen Spritmenge – unter Ausnutzung der Thermik - so lange wie möglich in der Luft zu bleiben oder eine vorgegebene bzw. möglichst lange Flugstrecke zu fliegen. Beim „Economy and Distance“ ist ein abgesteckter Dreieckskurs mit einer vorgegebenen Spritmenge so oft wie möglich zu umrunden. Eine Aufgabe, bei der leider die Wirtschaftlichkeit der Motorantriebe stark im Vordergrund steht, und nicht das Pilotenkönnen.
Wettbewerbsunterlagen
Zur Zeit erarbeitet der DULV eine Wettbewerbsunterlage, aus der neben generellen Hinweisen für die Teilnahme am Deutschen Motorschirm-Pokal, auch die Teilnahmebedingungen sowie die zu fliegenden Aufgaben hervorgehen werden. Eine Veröffentlichung erfolgt mit entsprechendem Vorlauf zur nächsten Meisterschaft. Die Aufgabenstellungen werden sich an den international gültigen Sporting Code anlehnen. Allerdings wird eine Reduzierung des Wirtschaftlichkeitsanteils angestrebt, um das Pilotenkönnen auf nationaler Ebene stärker in den Vordergrund zu rücken.
Steigendes Niveau und höhere Ansprüche bei internationalen Wettbewerben
Nicht nur die Teilnehmerzahl ist bei nationalen und internationalen Meisterschaften angestiegen, auch die fliegerischen Anforderungen an die Piloten haben zugenommen. So gehören z. B. Navigationsaufgaben von 50 bis 100 km mittlerweile zur Tagesordnung. Auch beim Material hat sich einiges verändert. Rund die Hälfte der Teilnehmer verwenden speziell für Motorschirme konzipierte Gleitsegel. Gegenüber dem Bergfliegen kommen kleinere Flächen bevorzugt zum Einsatz. Die meisten südländischen Piloten bevorzugen aufgrund der besseren Wirtschaftlichkeit „kleinere“ 80 ccm Motoren. Bei den Deutschen Meisterschaften spielte die Motorenwahl bisher eine untergeordnete Rolle, da die meisten Piloten Produkte des Deutschen Marktführers benutzten (siehe www.DULV.de, Wettbewerbsport) und die Verbrauchswerte relativ nah beieinander lagen.
Keine Hilfsmittel wie GPS oder Funk
Hilfsmittel wie GPS und Funk sind bei Wettbewerben nicht zulässig. Lediglich Uhr, Variometer, Höhenmesser, Fotoapparat und Landkarte dürfen benutzt werden. Der künftig vorgesehene GPS Flight-Recorder (Logger) kann nicht zum Navigieren eingesetzt werden. Es wird lediglich zur Flugaufzeichnung verwendet. Welche Logger künftig eingesetzt werden dürfen, ist von der CIMA noch festzulegen. Auf jeden Fall dürfte damit das mühselige Auswerten von Fotos und die Diskussionen über falsche Flugrouten entfallen.
Ergebnisse:
Die Ergebnisse der letzten internationalen Meisterschaften sind in der Homepage von Richard Meredith Hardy nachzulesen (www.flymicro.com/comps). Die Ergebnisse des Deutschen Motorschirm Pokals sind in der Homepage des DULV (www.dulv.de) unter Wettbewerbe zu finden.


Die nächsten Events
Ballenstedt wird vom 19. bis 23. Mai 2004 (Himmelfahrtswochenende) erneut Austragungsort des Deutschen Motorschirm Pokals. Die Kombination aus internationalem Wettbewerb, Motorschirmtreffen, Motoschirmmesse und Flugtag bewährte sich in diesem Jahr. Dennoch werden einige Neuerungen angestrebt, um die Attraktivität der Veranstaltung weiter zu steigen. Für den besten Wettbewerbsneuling wird im nächsten Jahr ein separater Preis ausgelobt. Ein Fun-Wettbewerb zum Ende der Meisterschaft soll Interessierten, die sich an eine Meisterschaft bisher noch nicht heran wagten, einen ersten Wettbewerbseindruck vermitteln. Eine Ausweitung der Motorschirmmesse wird ebenfalls angestrebt. Für den Abend des 22. Mai ist wieder eine große Fliegerparty geplant, zu der natürlich auch Gäste herzlich willkommen sind.. Die Online Registrierung erfolgt ab Mitte Januar 2004 über www.flymicro.com/comps. Weitere Infos: www.DULV.de ; Kontakt: Thomas2.Keller@t-online.de.
Der nächste internationale Event wird in Portugal ausgetragen (Juli 2004). Dabei handelt es sich um die Europameisterschaft.